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WELLER V. MOLSDORF Margarethe

WELLER V. MOLSDORF Margarethe

weiblich um 1539 -

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  • Name WELLER V. MOLSDORF Margarethe 
    Geburt um 1539  [1, 2
    Geschlecht weiblich 
    Referenznummer PRN5703 
    Personen-Kennung I5703  Ahnenforschung Teichmann
    Zuletzt bearbeitet am 18 Mrz 2023 

    Vater WELLER V. MOLSDORF Hieronymus, Dr. theol.
              geb. 5 Sep 1499, Freiberg, Freiberg, Sachsen, Germany Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort
              gest. 20 Mrz 1572, Freiberg, Freiberg, Sachsen, Germany Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 72 Jahre) 
    Beziehung natural 
    Mutter AM STEIGE Anna
              geb. 1510, Freiberg, Freiberg, Sachsen, Germany Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort
              gest. nach 1576 (Alter > 67 Jahre) 
    Beziehung natural 
    Eheschließung Aug 1536  Lutherstadt Wittenberg, Wittenberg, Sachsen-Anhalt, Germany Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [3
    Alter bei Heirat Hieronymus war 36 Jahre und 11 Monate - Anna war ~ 26 Jahre und 8 Monate. 
    Familien-Kennung F2062  Familienblatt  |  Familientafel

  • Quellen 
    1. Details: Hieronymus Weller (* 5. September 1499 in Freiberg (Sachsen); † 20. März 1572 ebenda) war ein evangelischer Theologe und Reformator.
      Hieronymus Weller (* 5. September 1499 in Freiberg (Sachsen); † 20. März 1572 ebenda) war ein evangelischer Theologe und Reformator.

      Leben [Bearbeiten]

      Der „Freibergische Prophet“, wie ihn wohl Zeitgenossen nannten, entstammte einem alten Patriziergeschlecht, das in der Gegend von Plauen mehrere Güter besaß, auch Bürgermeister und Ratsherren in Freiberg gestellt hatte und hohes Ansehen genoss. Hieronymus verlor seinen Vater, als er zehn Jahre alt war. Er besuchte die Schule zu Naumburg und konnte drei Jahre darauf an die Leucorea nach Wittenberg gehen.

      Mit 19 Jahren wurde er bereits Baccalaureus. Er konnte jedoch nicht weiter in Wittenberg bleiben, sondern musste sich seinen Unterhalt als Schulmeister in Zwickau und Schneeberg verdienen. Nach sieben Jahren gaben ihm seine adligen Verwandten die Möglichkeit, weiter zu studieren. In diese Zeit fällt jene innere Erschütterung, die eine Predigt Martin Luthers bei ihm auslöste.

      Es war 1527, als er sich zu Luther ins Haus begab, um Hauslehrer seiner Kinder zu sein. Während Luther sich auf der Coburg aufhielt, war er insbesondere eine Stütze für dessen Haus. In seiner Nähe brachte er volle acht Jahre zu, bis er die theologische Doktorwürde erwarb. Die Promotion fand in Gegenwart des gerade in Wittenberg weilenden englischen Gesandten Barns am 14. September 1535 statt.

      Die inzwischen in seiner Heimatstadt durchgeführte Reformation führte dort zur Errichtung einer theologischen Lektur, die er 1539 übernahm. Nachdem Nicolaus Hausmann hier vorgearbeitet hatte, war es ihm nicht schwer, eine einflussreiche Stellung zu erhalten. Justus Jonas der Ältere und Georg Spalatin führten ihn in das Amt bei Gelegenheit der Meißnischen Kirchenvisitation ein. Seine Tätigkeit am Gymnasium und sein Briefwechsel waren umfassend. Insbesondere blieb er in ständiger Verbindung mit Luther und Philipp Melanchthon. Unangefochten blieb er trotzdem nicht. Nachdem er 22 Jahre lang Vorlesungen gehalten und auch biblische Erklärungen herausgegeben hatte, zog er sich mehr und mehr zurück, beteiligte sich aber noch an allen theologischen Fragen der Zeit. Seine geistige Hinterlassenschaft erschien 1702 in zwei Folio-Bänden.

    2. [S16] Internetseite, http://www.freiberger-dom.de/gemeinde/sondertext/vortrag05.html.
      Luther und seine Freiberger Freunde

      Luther war nie in Freiberg. Aber er hatte vielfältige Beziehungen nach Freiberg und er hatte hier regelrechte Freunde. Um sie soll es in dem Vortrag gehen, nicht so sehr um die Freiberger Reformationsgeschichte allgemein.

      1.

      Daß die Reformation schon früh in unserem Gebiet Fuß faßte und Anhänger fand, zeigt sich in einer Reihe von Briefen Luthers. Erstmals ist Luther mit Freiberg in Verbindung getreten durch ein Trostschreiben an drei Hoffräulein am Freiberger Hof und durch seine Satire über das "Mönchskalb zu Freiberg". In einer Kuh, die im Kuttelhof geschlachtet wurde, fand sich ein mißgestaltetes Kalb. Zuerst hatte sich ein Prager Hofastronom dieses Ereignisses angenommen und es in einem Flugblatt auf Luther gedeutet. Es war im späten Mittelalter üblich, Mißbildungen als Vorzeichen kommenden Unglücks und göttlichen Zorns zu deuten. Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach entschuldigte sich bei Luther für dieses Flugblatt. Aber vielleicht hatte Luther schon vorher davon erfahren. Jedenfalls nutzt er die Gelegenheit, in einem eigenen Flugblatt - verbunden mit Äußerungen von Melanchthon über eine zurückliegende Mißbildung und zusammen mit Illustrationen von Cranach - die Mißgeburt auf das Mönchtum hin zu deuten - und zwar nicht prophetisch-endzeitlich, sondern sehr aktuell auf das Mönchtum insgesamt. Er schreibt: "Es hat aber gedachtes Mönchskalb die autoritet und ansehen der Geistlichen bey der Stadt / so dem Pabst zugethan gewesen / sehr geringert / also daß auch die Bergleute ein besonder schimpfflich Lied davon erdichtet / und dasselbe den Mönchen und Pfaffen zu spott und hohn lange zeit allhier gesungen." Luther ruft Mönche und Nonnen auf, endlich Christen zu werden, und den Adel, er möge sich seiner Kinder in den Klöstern annehmen, die nicht alle willige und keusche Jungfrauen sein könnten.

      In den 1520er Jahren setzten heftige Verfolgungen reformatorisch Gesinnter ein. Unter ihnen waren auch solche aus unserer Gegend. Wie schon erwähnt, hat Luther 1523 ein Trostschreiben an drei Fräulein am Freiberger Hof Herzog Heinrichs geschickt, in deren Besitz ein von Luther übersetztes Neues Testament gefunden worden war. Heinrich verwies sie deshalb vom Hofe. Er hatte kurz zuvor ein Verbot erlassen, das von Luther übersetzte Neue Testament zu besitzen oder auch nur zu lesen. Luther versucht nun, die drei Fräulein zu trösten. Sie sollen denen, die ihnen um der Wahrheit willen ein Leid zugefügt haben, nichts Arges gönnen und wünschen, sondern Gott loben. Dann seien sie von der Wahrheit erleuchtet, ihre Gegner aber schadeten ihrer eigenen Seele. Er fordert sie auf, abzuwarten und Jesus Christus wirken zu lassen. Es ist Gottes Sache: Wer euch antastet, tastet Gott an.

      1531 schrieb er einen Brief an Leute aus dem Purschensteiner Gebiet, also aus dem Gebiet um Frauenstein und Neuhausen. Auf Befehl Herzog Georgs wurden sie verfolgt "wegen Evangelischen Bekäntnus und Brauch des hochwürdigen Abendmals unter beyder Gestalt", also Christi Leib unter Brot und sein Blut unter Wein. Luther weiß gegen solche Verfolgungen keinen anderen Rat als den zum Gebet. Entweder sie werden errettet oder doch so gestärkt werden, daß sie die Gewalt ertragen können. Aber widerrufen sollen sie nicht und auch nicht leugnen, das Abendmahl stiftungsgemäß empfangen zu haben, sondern es treu bekennen, denn es war christlich getan. Leugnen wäre gegen das Gewissen gehandelt, und das würde sie hart bedrücken.

      Ein weiteres Schreiben Luthers bezieht sich auf das Auslaufen der Herzogin Ursula von Münsterberg aus dem hiesigen Nonnenkloster, die "einen Evangelischen Prediger für sich hat halten dürffen". Sie war die Cousine der sächsischen Herzöge. Als der Prediger ihr genommen werden soll, floh sie mit zwei anderen Nonnen aus dem Maria-Magdalenen-Kloster. Sie hat ihren Schritt mit Berufung auf die Heilige Schrift verteidigt. Diese Flucht und die sie begründende Schrift hat Aufsehen erregt und weite Verbreitung gefunden. Luther hat zu ihr ein Vorwort geschrieben und die Gelegenheit genutzt, zum wiederholten Male auf das Problem der Mönche und Nonnen, die unfreiwillig ins Kloster gesteckt worden waren, hinzuweisen - und damit auf das Problem der damit verbundenen Werkgerechtigkeit. Er lobt Gott dafür, daß Sein Wort so kräftig in der Welt wächst, so daß auch Fürsten davon erfaßt werden. Wie es zuerst Fischern und Bettlern verkündigt worden sei, so werde es heute Gläubigen aus allen Ständen und Orten verkündigt. Die Schrift - er meint Ps. 45,10 - werde erfüllt, daß auch der Könige Töchter im Schmuck Christi stünden. Solche Hoffräulein müsse der himmlische König haben, die Kreuz und Schmach in die Welt tragen. Sie sind Christi erwählte Bräute. Die Anschläge der Gegner seien vergeblich. Obwohl das Freiberger Kloster fest und hart verschlossen gewesen sei, seien die Frauen trotzdem herausgekommen. Das sei ein Wunderwerk Gottes. Ihm sei kein Kloster zu hart verschlossen. Als die Fürstin noch im Kloster gewesen sei, sei das für die Gegner ein Wunder gewesen. Jetzt, wo sie aus dem Kloster heraus sei, solle es keines mehr sein? Ursula selbst berichtet, sie wisse, daß sie vor Gottes Thron Rechenschaft über ihre Seele geben müsse. Vom Evangelium habe sie gelernt, sie werde ohne Verdienst durch den Glauben gerecht. Deshalb habe sie das Kloster verlassen müssen.

      Das alles sind freilich Gelegenheitsschriften, die Luther verfaßt hat. Von Freundschaften Luthers zu den betreffenden Personen wird man nicht sprechen können.

      2.

      Anders verhält es sich mit den folgenden Freibergern.

      Zuerst und vor allen anderen ist an die Familie Weller dabei zu denken. Zu vier Gliedern dieser Familie hatte Luther wirklich enge Beziehungen. Es sind Hieronymus, Peter, Matthias und Barbara Lißkirchen geb. Weller. Die Wellers waren ein altes Freiberger Geschlecht und geadelt worden (von Molsdorf). Die vier Geschwister waren Kinder des Freiberger Bürgermeisters Johann Weller von Molsdorf. Dieser war 1509 gestorben. Schon dessen Vater Paul war Bürgermeister gewesen.

      Zunächst zu Hieronymus. Er war der Älteste der Geschwister und 1499 geboren. 1517 ging er zum Studium nach Wittenberg und erlangte 1519 das Bakkalaureat. Wie damals häufig, beendete er damit zunächst sein Studium und wurde Lehrer in Zwickau und Schneeberg. 1525 kehrte er nach Wittenberg zurück und studierte nun Jura. Dabei führte er ein "lockeres und gottloses Leben". 1528 wurde er durch eine Katechismuspredigt Luthers, Gottes heiligen Zorn über die Sünde betreffend, so bewegt, daß er sich zum Theologiestudium entschloß. 1531 zog er in das "Schwarze Kloster", in dem Luther seit 1511 wohnte und daß der Kurfürst ihm nach Luthers Hochzeit als Wohnhaus überlassen hatte. Er lebte also bei Luther in Kost und Logis. Er wurde Luthers Famulus. Als solcher war er in Luthers Familie integriert. Zwischen beiden entstand eine wirkliche Freundschaft wie zwischen Vater und Sohn. Luther bat ihn, Lehrer seines Sohnes Johannes, des "Hänschen", zu werden. Dieser Aufgabe hat sich Hieronymus unterzogen, bis er 1536 selbst heiratete. Wie eng die Beziehung zu Hieronymus gewesen ist, zeigt sich darin, daß Luther mit allen vier Geschwistern korrespondiert hat. 16 Briefe an Hieronymus, je einen an Peter und Matthias und zwei an Barbara sind überliefert.

      Luther hat für Hieronymus in mehrerlei Beziehung gesorgt. Einmal hat er ihm beim Kurfürsten eine Pfründe auf der Wartburg besorgt, eine Art Stipendium. Weil die Eisenacher Verwaltung immer wieder Sperenzchen bei der Auszahlung derselben machte, hat sich Luther wiederholt für seinen Famulus beim Kurfürsten verwendet.

      Hieronymus gehört zu den Studenten, die Luthers Tischgespräche mitgeschrieben haben. Ebenso hat er Luther bei seinen Wochenpredigten unterstützt und dafür von Luther Entwürfe zur Verwendung erhalten.

      Wie seine Geschwister, wir werden darüber noch mehr hören, war auch Hieronymus schwermütig, offensichtlich eine Familienkrankheit. Luthers jüngster Biograph, Martin Brecht, meint sogar, Luther habe "in der seelsorgerischen Betreuung des schwermütigen Hieronymus Weller in seinem Hause ... eine besondere Aufgabe" gehabt. Weller sei "von Mangel an Selbstvertrauen geplagt" gewesen.

      Bereits in einem Brief vom 19. Juni 1530 von der Veste Coburg geht Luther auf die Schwermut Wellers ein. Er betont, diese sei vom Teufel und könne nur durch das Lesen der Heiligen Schrift überwunden werden. Sechs Wochen später schreibt er ihm erneut deswegen. Er sieht in seiner Melancholie den Beweis dafür, daß er an Jesus Christus glaube und der Teufel dagegen ankämpfe. Hieronymus solle durch Beten dagegen ankämpfen. Ja, er solle ruhig einmal über die Stränge schlagen und damit zeigen, daß er den Teufel verachte. Und vierzehn Tage später schreibt ihm Luther erneut deswegen.

      Am 11. September 1535 fand die Disputation im Rahmen des theologischen Promotionsverfahrens für Hieronymus statt. Das Thema behandelte das Verhältnis von Glauben und Werken. Die Thesen dafür hat Luther selbst erstellt. Den Vorsitz des Promotionsverfahrens hatte Caspar Cruciger, Promotor war Justus Jonas. Am 14. September wurde dann die Promotion vollzogen. Luther hat seinem Famulus den Doktorschmaus ausgerichtet. Die Kosten dafür werden nicht sehr hoch gewesen sein, denn wegen der Pest, die zu dieser Zeit in Wittenberg grassierte, werden wenige daran teilgenommen haben. Auch Wellers Lobrede auf die Theologie, die dem eigentlichen Promotionsakt folgte, hat Luther selbst verfaßt. In diesem Zusammenhang hat der Reformator an den Rat der Stadt Freiberg einen Brief geschrieben (der durch Kriegseinwirkungen sich nicht mehr im Stadtarchiv befindet, der aber gedruckt vorliegt). In dem Brief dankt Luther dem Stadtrat dafür, daß er Weller, "sonderlich weil er Euer Stadtkind ist" ein Geschenk zu seiner Promotion habe zukommen lassen und urteilt über Hieronymus, er sei "ein treu, still und gelehrter Mann". Luther habe ihn getrieben zu promovieren, denn es sei nötig, daß Leute da sind, die gegen die Rottengeister streiten. Jetzt sei eine "güldene Zeit, darin man wohl und reichlich, auch leichtlich gelehrte und feine Leute erziehen kann ...", deshalb sei es gut, "daß Ihr Euch solchen Leuten zu helfen annehmet". Es ist interessant, daß Luther ein gutes Jahr vor Einführung der Reformation in Freiberg diesen Brief geschrieben hat. Mehrfach hat Luther wegen der Promotion sich auch an den Kurfürsten gewandt, ebenso mehrfach an Justus Jonas und an Melanchthon. Den Eintrag über die Promotion hat Luther selbst im Dekanatsbuch der Theologischen Fakultät vorgenommen.

      1536 heiratete Hieronymus die Freiberger Patriziertochter Anna am Steig. Sie war Mündel des Georg Lißkirchen, des Schwagers von Hieronymus. Auch um die Hochzeit hat sich Luther gekümmert. Zunächst gibt er in einem Brief an Hieronymus seiner Freude Ausdruck, daß dieser eine Frau gefunden habe. Er rät ihm, die Hochzeit in Freiberg zu feiern, doch müsse er seine Frau auch in Wittenberg präsentieren. Luther geht dabei grundsätzlich auf die Ehe ein und schreibt, Gott habe diese Lebensart geschaffen. Keiner kenne beide Geschlechter, solange er allein lebe. Jesus werde ihn und seine Braut segnen, so daß beide immer angenehm und liebevoll zusammen leben. Am 13. August 1536 schickte Luther dann ein Verzeichnis derer, die einzuladen seien, wenn Hieronymus seine Hochzeit in Luthers Hause feiern wolle. Er weiß, die Feier werde teuer: "Mit 100 fl. (= Gulden) richtet Ihr's kaum aus, denn eine Hochzeit sei etwas anderes als ein Doktorschmaus". Luther ist darauf bedacht, daß er keine Unehre einlege. Andererseits schreibt er an Justus Jonas, die Hochzeit Wellers werde bescheiden sein. Zur Vorbereitung solle Hieronymus oder sein Bruder Matthias nach Wittenberg kommen. Und in einem Schreiben an Nikolaus Hausmann (auf ihn kommen wir noch zu sprechen) hebt Luther hervor, Hieronymus sei nun vergnügt. Das könne er beurteilen. Wenn er auch aus seinem Haus ausgezogen sei, so sei dessen Wohnung doch der seinen benachbart.

      Mehrfach hat sich Luther um eine geeignete Stelle für seinen Schützling bemüht, so in Naumburg, Zerbst und in Freiberg. Aber Hieronymus hatte ein Handicap. In Naumburg (und anderswo) wurde er in der großen und weiten Kirche als "undienstlich befunden von wegen seiner kleinen Stimme", auch sei die Arbeitslast dort zu groß.

      So übernahm Hieronymus dann die Professoren- und Inspektorenstelle hier an der Freiberger Stadtschule. Auch weiterhin besteht zwischen Luther und ihm eine enge Verbindung. So klagt Luther ihm in einem Brief über die Zustände am Hof Herzog Heinrichs. Über den Verlauf der Visitation nach Einführung der Reformation im Herzogtum war Luther gar nicht zufrieden. Im gleichen Brief aber gratuliert der Reformator Hieronymus und seiner Frau zur Geburt der Tochter, "dem neuen Vater und der neuen Mutter". Drei Monate später schreibt er erneut an Weller, er könne am Dresdner Hof nicht für ihn eintreten, er sei selbst dort unbeliebt. Und am 19. April 1542 schüttet Luther in einem Brief an Weller ihm sein Herz aus und beklagt sich bitter über die "perfidi simulatores in Evangelio", über die falschen Heuchler, die Meißner und Leipziger Räte, im Zusammenhang mit der Wurzner Fehde, die die beiden fürstlichen Vettern so weit auseinandergebracht und an den Rand eines Krieges geführt hatte. Und schließlich, als Leute Wellers Lehrerfolg in Freiberg ihm neiden, tröstet ihn Luther, es sei schwierig, Erfolg zu haben.

      Auch auf eine Lehrfrage kommt Luther in einem Brief an Hieronymus zu sprechen. Er stammt aus dem Jahr 1541 (vom 4.7. oder 30.12., das Datum ist nicht gesichert). In ihm geht es um die Frage, ob die das Abendmahl mit ausspendenden Diakone das Sakrament mit empfangen sollten oder nicht. Luthers Antwort dazu entspricht seiner üblichen Haltung in liturgischen Fragen. Er meint, hierzu gäbe es kein Gesetz, es solle freigestellt bleiben. Aber sie sollen bedenken, ob sich nicht andere daran stoßen könnten, wenn sie es nicht empfangen würden. Er sähe es jedenfalls gern, wenn der, der das Abendmahl im Gottesdienst reicht, auch selbst daran teilnimmt.

      Zugleich mit seinem ersten Brief an Hieronymus schreibt Luther von der Veste Coburg an dessen Bruder Peter und bedankt sich bei ihm, daß er zusammen mit seinem Bruder in Luthers Wittenberger Haus sei und sich der Familie des Reformators annehme. Peter hat wiederholt als Luthers Bote fungiert und Briefe überbracht. Seiner Frau Käthe schreibt er, Peter Weller solle ihr seine lateinischen Briefe vorlesen lassen (reine Privatbriefe werden es wohl kaum gewesen sein). Bis hin nach Königsberg an den Hof Herzog Albrechts sandte Luther Briefe durch Peters Vermittlung. Und als es in Lochau (dem späteren Annaburg) zu der Affäre mit Michael Stifel kommt (der den Jüngsten Tag berechnet haben wollte und mit seiner Gemeinde in der Kirche auf dessen Anbruch wartete), war Peter ein Augenzeuge.

      Barbara Lißkirchen, die Schwester der beiden, war - wie Hieronymus und der jüngste Bruder Matthias - offensichtlich von Schwermut befallen. Sie war die Ehefrau von Georg Lißkirchen. Dieser besaß hier in Freiberg auf dem Obermarkt das Haus, in dem sich das Cafe Katharina befand und ein schönes Portal mit Bergbauszenen besitzt (jetzt in Kopie). Er war offensichtlich ein Enkel der Freiberger Familie Alnpeck und mehrmals Ratsherr und Stadtrichter; sein Mündel Anna wurde, wie wir hörten, die Frau von Hieronymus.

      Barbara muß theologisch sehr interessiert gewesen sein. Sie wendet sich mehrmals an Luther mit theologischen Fragen, vor allem haben sie offensichtlich Anfechtungen im Hinblick auf die göttliche Vorsehung geplagt. Luther bittet in seinem Schreiben vom 30. April 1531 zunächst Christus, er möge sie von solchen Anfechtungen befreien. Er kenne diese Krankheit wohl und habe "bis auff den ewigen tod ynn dem Spital gelegen". Ihr zu raten und sie zu trösten sei freilich auf schriftlichem Wege schwierig. Aber er wolle ihr zeigen, wie Gott ihm selbst geholfen habe: 1. Die Gedanken kommen gewiß vom Teufel her. Deshalb solle man nicht darüber forschen. Der Teufel plage das Herz, "auff das der mensch Gott feind werden und verzweifeln soll", aber das habe Gott im 1. Gebot verboten. 2. Wenn solche Gedanken über sie kommen, solle sie sich fragen: Welches Gebot gibt es, daß ich daran denken soll? Es gibt keins! Deshalb soll sie sagen: Heb dich weg, Teufel! 3. Wenn trotzdem solche Gedanken nicht ablassen, soll sie dem Teufel sagen: Gott hat solche Gedanken verboten! 4. Das höchste Gebot sei aber, sich Jesus Christus vor Augen zu stellen. Da sieht man, wie lieb uns Gott hat. So lernt man "die rechte kunst von der versehung und sonst nirgent". Da finde es sich dann, ob sie an Jesus Christus glaube. Glaubt ihr, so seid ihr berufen. Seid ihr berufen, so seid ihr auch "versehen gewislich". Das könne ihr dann niemand aus dem Herzen reißen, auch wenn wieder solche Gedanken kommen. "Fallen sie ein, so lasse sie widder ausfallen". So hat mir Gott geholfen, schreibt Luther. Er beendet seinen Brief damit, daß er sie auch an Hieronymus verweist, dem er aufgetragen habe, sich um sie zu kümmern und sie auf den Gekreuzigten zu verweisen, dieser zeige euch seine Hände und Füße. Es ist bekannt, wie Luther sich selbst mit den Fragen der Vorsehung und der Vorherbestimmung herumgeschlagen hat.

      In einem weiteren Brief an Barbara, vier Jahre später - am 7. März 1535 geschrieben -, schreibt er, er habe von Hieronymus erfahren, sie sei begierig, das hl. Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu empfangen. Sie frage, "ob's muge geheym zu hause empfangen werden". Luther antwortet, im Papsttum sei es üblich, das Sakrament ins Haus zu tragen. Er aber rate davon ab, "ob's exempels vnd ander ursachen willen". Denn sonst wolle das jedermann - und das bedeute, "das damit die gemeine kirche und versamlüng verlassen vnd wust wurde, So es doch ein offentlich vnd gemein bekentnis sol sein". Sie mag, wenn das Gewissen sie dazu treibt, es anderswo empfangen oder sich mit dem geistlichen Empfang genügen, also damit, daß sie in Gedanken das Abendmahl empfängt. Um das Krankenabendmahl geht es hier sicher nicht, das war im Luthertum unumstritten, aber um die Privatkommunion. Diese lehnt Luther ab.

      Diese Antwort deckt sich mit zahlreichen anderen Briefen Luthers, die er in gleicher Sache - auch nach Freiberg - geschrieben hat. Also soll Barbara lieber etwa nach Leisnig gehen, dem wohl nächstgelegenen Ort im Kurfürstentum. Im Herzogtum, zu dem Freiberg gehörte, war der Empfang des Abendmahls unter beiderlei Gestalt damals noch strikt verboten, auch wenn bereits das Herzogpaar Heinrich und Katharina sich der Reformation zuneigten, doch hatte Heinrich in seiner eingeschränkten Herrschaft hier in Freiberg noch nicht die Erlaubnis, das Exercitium, gewährt. Das geschah dann 1½ Jahre später.

      Zuletzt sei noch ein Brief Luthers an Matthias Weller genannt. Dieser war Freiberger Hoforganist. Auch ihm gibt Luther Ratschläge gegen dessen Melancholie. Er solle sich seinen schwermütigen Gedanken nicht hingeben, sondern vielmehr auf den Trost des Evangeliums hören, an Jesus Christus glauben und zu Gottes Lob musizieren. Die Schwermut komme nicht aus sich selbst heraus, sie sei vielmehr ein Teufelswerk. Ihm zum Trotz soll er auf dem Regal, einer Kleinorgel, dem Herrn Christus ein Lied spielen und dabei frisch in die Tasten greifen. Er dürfe dem Teufel keine Gelegenheit geben, sich ihm aufzudrängen. Man könne nichts Besseres tun, als ihm eins auf die Schnauze zu schlagen. Am besten gelänge das durch Musizieren und in einer fröhlichen Gesellschaft. Wenn man erst einmal erkannt hat, daß die Schwermut vom Teufel komme, habe man schon halb gewonnen. Wer noch im Glauben schwach sei, der brauche einen Stab, an dem er sich festhalten kann, bis er selbst gehen könne. Das sei der Glaube an Christus. Er solle vor allem nicht daran zweifeln, daß Gottes Wort gewiß sei und ihn trösten könne.

      Luthers Briefwechsel mit den Geschwistern Weller zeigt den Reformator sowohl als väterlichen Freund als auch als Seelsorger. Selbst um Kleinigkeiten im Zusammenhang mit der Promotion bzw. mit der Hochzeit des Hieronymus hat sich Luther gekümmert, aber sich auch um eine geeignete Stelle für ihn bemüht. Luther nimmt die Gewissensfragen der Geschwister sehr ernst und verweist sie auf Gottes Wort, weiß aber auch ganz praktische Ratschläge zu geben. Für die Freiberger beschämend ist es, daß in einem Brief von einer Eiseskälte und von der Verachtung des Wortes Gottes gesprochen wird.

      3.

      Weiter ist der Freiberger Kartenmaler Matthes Lotther zu nennen. Eigentlich hat er Luther zunächst falsch verstanden, aber dann hat Luther selbst vor dem Herzog sich für ihn eingesetzt.

      Lotther war der Auffassung, er habe Vollmacht, in seinem Hause Gottes Wort zu verkündigen und mit seinem Gesinde das hl. Abendmahl - unter beiderlei Gestalt - zu feiern. Es sei für die Freiberger nicht nötig, außer Landes zu gehen, um das Abendmahl zu empfangen. Es zieme auch den Christen nicht, das Wort Gottes im Götzenhaus unter dem Greuel der päpstlichen Messe zu hören. Der Hausvater habe vielmehr das Recht, ja die Pflicht, seinen Kindern und seinem Gesinde Gottes Wort zu lehren und das Abendmahl zu reichen, da ja das Sakrament aus dem Wort komme.

      Soweit Matthes Lotther. Seinetwegen hat sich nun Lorenz Kastner mit Freunden an Luther gewandt und gefragt, ob Lotther Luther richtig verstanden habe. Dazu kam, daß Lotther in Freiberg als "Schwärmer" angesehen wurde. Das war in diesen Jahren nach dem Bauernkrieg so ungefähr das schlimmste, was einem nachgesagt werden konnte. Doch gegen sein eidliches Gelöbnis, Freiberg nicht zu verlassen, blieb er in Freiheit. Er hatte also Urfehde geschworen. Als er aber hörte, aus Dresden sei schon der Henker unterwegs, floh er - zu Luther! Er vertraute sich ihm an, er solle entscheiden. Es ist erstaunlich und, wie ich meine, ein Zeichen von Größe, daß sich Luther für ihn einsetzt. Denn zweifellos hatte Lotther den Reformator falsch verstanden und falsche Konsequenzen aus dessen Auffassung vom allgemeinen Priestertum der Getauften gezogen. Luther weiß, Lotther hat "sich vergriffen mit Worten wider unsere Lehre und auch des Papste". Aber Luther wendet sich seinetwegen an Herzog Heinrich in Freiberg - und zwar am 7. Juni 1536. Das heißt also, gerade als es um die Einführung der Reformation in Freiberg ging. Das war ganz heikel, war doch Herzog Heinrich von seinem Bruder Georg dem Bärtigen als dem regierenden Herzog abhängig - und der war bekanntlich ein entschiedener Luthergegner. Das ganze Vorhaben der Reformation in Freiberg stand letztlich auf dem Spiel, denn es wäre ein gefundenes Fressen für Georg gewesen, wäre Lotther als "Schwärmer" überführt worden, ohne daß Heinrich gegen ihn vorgegangen wäre.

      Luther hält es für richtig, Lotther bei seiner Familie in Freiberg bleiben zu lassen unter der Voraussetzung, daß er verspreche, nicht wieder solche irrigen Auffassungen zu vertreten, andernfalls "stracks den Kopf sollte er verwahrlost haben". Es sei besser, er bleibe in Freiberg, wo man ihn kenne, da könne er nicht so gefährlich werden und anderen den Kopf verdrehen. Wenn er ernstlich Buße tue, sei es besser, er bleibe im Lande, als daß er wo anders Unheil anrichte.

      Lotther fühlte sich durch diesen Brief in Mißkredit gebracht. Er erklärt sich bereit, seine Unschuld zu beweisen. Luther hat ihn offensichtlich nicht für einen regelrechten Wiedertäufer gehalten, der gegen Kindertaufe und Abendmahl rede, anscheinend aber hat der Herzog ihn für einen solchen gehalten. Auch in Freiberg fand Lotther Fürsprecher. Da wendet sich Luther ein zweites Mal an Heinrich und beruft sich auf Lotthers Erbieten: "Wo er überweiset werde, daß er etwas wider die Taufe oder Sacrament geredt oder getan oder jemand an sich gezogen, so wölle er darüber leiden, was er soll". Luther bittet nun den Herzog, er möge die Sache erkunden lassen. Wenn er für unschuldig befunden würde, solle man die Sache beenden, "damitte nicht ein Geschrei werde, als wollte man niemand hören noch sehen". Offensichtlich hat Heinrich beide Briefe Luthers nicht beantwortet. Inzwischen hatte sich Lotther von Kastner und seinen Freunden öffentlich eine Ehrenerklärung geben lassen. Doch war man in Freiberg der Ansicht, für seine Flucht gebühre ihm eine Strafe. So sah das auch der Kurfürst in Wittenberg. Aber Luther blieb dabei, seinem Schützling geschähe ein Unrecht. In einem dritten Schreiben, vom 2. November 1536 - Heinrich hatte inzwischen die freie Religionsausübung erlaubt, die offizielle Einführung der Reformation hier in der Stadt stand vor der Tür - bittet Luther den Herzog, Lotther zu verhören, sonst werde er, Luther, ihm ein Unschuldszeugnis ausstellen. Darauf hat Heinrich anscheinend Luther eine geharnischte Antwort zukommen lassen, die aber nicht erhalten ist. Um Luther von weiteren Schreiben abzuhalten und zu verhindern, daß es zu einem Zerwürfnis zwischen Freiberg und Wittenberg gerade in diesen Wochen der Einführung der Reformation komme, intervenierte Katharina, Herzog Heinrichs Frau. Sie beauftragte ihren Hofgeistlichen Schenk (auf ihn kommen wir noch zu sprechen) mit der Erstellung eines Gutachtens. Er solle darlegen, daß der Sache der Reformation Schaden zugefügt werde, wenn sich Luther weiter für den Mann einsetze. Luther muß darauf gereizt reagiert haben, als er davon erfuhr. Des Kurfürsten Kanzler Gregor Brück äußerte über Luther, "er hat ein kleines Räuschlein". Luther war offenbar erbost darüber, daß er seinem Schützling nicht mehr würde helfen können. Er schob die Schuld dafür auf Schenk, den er aus Freiberg abberufen wollte. Luther war jedenfalls nicht zu bewegen, sich beim Herzog zu entschuldigen. Zweifellos hat er Lotther für unschuldig gehalten. Er rät dem Herzog, sich nichts auf sein Gewissen zu laden. Die Familie würde zu Bettlern, würde er verstoßen. Ohne ihn angehört zu haben und ihm etwas nachweisen zu können, dürfe man nicht gegen ihn vorgehen. Luther wendet sich auch gegen Lotthers Gegner: "Haben sie es böslich gemeint, so sind sie deste ärger Bösewicht". Luther appelliert an den Herzog, der doch inzwischen "durch Gottes Gnade das heilige Evangelion höre, sollte zu Ehren demselbigen heiligen Worte Gottes solch Geschrei wider E.F.G. (= Euer fürstlichen Gnaden) helfen dämpfen und doch den Mann lassen verhören". Das Geschrei gereiche nicht zu Heinrichs Ruhm. Nach Luther durfte Lotther fliehen, die Urfehde brechen, weil er um sein Leben fürchten mußte. Das sei nun seine letzte Bitte in dieser Sache, schreibt Luther. Sei sie erfolglos, so werde er ihm ein Zeugnis ausstellen, denn er könne solchen Jammer der Elenden, die nicht verhört und überwiesen seien, nicht auf sich lassen, er müsse es dem Herzog aufs Gewissen schieben.

      Es rührt schon an, wie eindringlich sich Luther für einen Mann einsetzt, den er (zunächst) nicht kannte und der durch seine zumindest ursprüngliche Ansicht der Sache der Reformation großen Schaden hätte zufügen können. Wohl weiß der Reformator, daß Lotther sich mit seinen Worten an der Sache des Evangeliums vergriffen hat und nicht ohne Grund im Verdacht steht, ein Schwärmer zu sein, trotzdem setzt er sich für ihn ein bis dahin, daß nun durch Luthers Eingreifen der Herzog, der gerade der Einführung der Reformation im Freiberger Ländchen zustimmte, verärgert wurde. So oder so, es ging schon um die Glaubwürdigkeit der Reformation. Entweder konnten die Altgläubigen die Sache gegen die Reformation ins Feld führen oder Herzog Heinrich konnte seine Zustimmung zur Einführung der Reformation aus Ärger über Luther zurückziehen. Jedenfalls widerspricht Luthers Eintreten für Lotther dem Klischee, der Reformator sei ein wütender Gegner der Schwärmer gewesen. Bis zum Äußersten setzt er sich für den Mann ein. Luther bewahrte sich ein differenziertes Urteil.

      4.

      Ein weiterer schwieriger Freund Luthers in Freiberg war Jacob Schenk.

      1536 bat Herzogin Katharina Luther um einen geeigneten Hofprediger. Aus Rücksicht auf die besondere Lage in Freiberg bat sie um einen unverheirateten, nach römischem Ritus noch geweihten Mann. Luther sandte Jacob Schenk.

      Nach Wilisch ist er "nach erlangtem ordentlichen Beruff und Ordination" geschickt worden. Was heißt das in diesem Fall? Katharina wollte einen noch nach römischem Ritus geweihten Mann. Doch heißt es in einigen Quellen, daß er "nicht geweihet" gewesen sei und deshalb Anstoß erregte. Schenk wurde vom herzoglichen Rat von Carlowitz gedrängt, "...weil er noch nicht ordiniret, so solte er sich den Bischoff von Meißen weihen lassen". Luther hatte die Ordination durch einen altgläubigen Bischof nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Der Kurfürst meinte jedoch, man "könne die Weihe von dem Bischoffe mit gutem Gewissen nicht begehren". Wäre er von einem altgläubigen Bischof geweiht worden, hätte er sich damit auch dem kanonischen Recht unterwerfen müssen. Klar ist also, Schenk war nicht vom altgläubigen Bischof geweiht. War er nun auch nicht ordiniert? Im Wittenberger Ordinandenbuch steht er jedenfalls nicht, doch das beginnt erst 1537. Es ist sehr schwer vorstellbar, daß Luther einen nichtordinierten Mann nach Freiberg sandte, wo man sich sogar einen altgläubig geweihten Mann ausdrücklich wünschte. Dazu kommt, daß Luther zu dieser Zeit es in anderen Fällen entschieden ablehnt, daß das Abendmahl durch Nichtordinierte verwaltet wird, wie wir gerade im Falle von Matthes Lotther sahen. Die Frage, ob er ordiniert war, bevor er nach Freiberg gesandt wurde, kann nicht eindeutig beantwortet werden.

      Wie dem auch sei, Schenk erfüllte nicht die in ihn gesetzten Erwartungen. Von Anfang an trat er sehr selbstherrlich auf. Er wollte sich von niemandem, auch nicht von Luther und Melanchthon in Wittenberg, bestimmen lassen. Nachdem Heinrich die freie Religionsausübung im September 1536 erlaubt hatte, hielt Schenk am Neujahrstag 1537 im Dom den ersten reformatorischen Gottesdienst und reichte dabei das hl. Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Obwohl die Reformation in allen fünf Freiberger Gemeindekirchen eingeführt wurde, wollte er es sich vorbehalten, allein im Dom das Abendmahl zu spenden. Nicht nur das, er wollte alles nach seinem Gutdünken ordnen. Es heißt, daß er sich wie ein "oberster bischoff" verhielt; er "wolte, daß sich idermann nach ihm richten solte". Dazu kam, daß er geeignete Prediger wegekelte und seinen erst achtzehnjährigen Famulus bzw. seinen Bruder aus Joachimsthal nach Freiberg rief, um sie am Dom einzustellen. Das mußte Ärgernis erregen und der gerade in Freiberg eingeführten Reformation schaden.

      Das Verhältnis Luthers (und Melanchthons) zu Schenk war bald schweren Belastungen ausgesetzt. Zuerst ging es um den "Laienkelch", also darum, ob das Abendmahl auch nur, wie bisher im Papsttum, unter einer Gestalt gereicht werden könne oder nicht. Melanchthon hielt es für möglich, nur das konsekrierte Brot, Christi Leib, zu reichen. Darauf beriefen sich die Altgläubigen in Freiberg. Schenk wandte sich deswegen an Melanchthon und fragte nach den Voraussetzungen, unter denen so verfahren werden könne. Melanchthon nahm es Schenk übel, daß er die Sache publik machte, obwohl er ausdrücklich um Geheimhaltung gebeten hatte. Luther erfuhr davon. Das führte zu einer Entfremdung zwischen ihm und Melanchthon.

      Tiefgehender war die Auseinandersetzung um die Frage nach der Geltung des Gesetzes (d.h. des alttestamentlichen Gesetzes) auch für Christen. War das Gesetz ihnen auch zu verkündigen oder nicht? Schenk geriet in Verdacht, ein Antinomer (ein Leugner der Geltung des Gesetzes für Christen) zu sein. Dieser Streitpunkt war ein tiefgreifender. Kritiker der Reformation warfen ihr ja vor, daß dort, wo sie eingeführt worden war, eine moralische Laxheit einträte. Unter diesen Kritikern waren vor allem Humanisten wie Georg Agricola! Schenk - und Johann Agricola aus Eisleben - waren Antinomer. Luther hat gegen sie geschrieben und die beiden D. Jeckel und D. Grickel genannt. Luther schickte - auch wegen der Klagen, die sonst Schenks wegen Wittenberg erreichte - Visitatoren nach Freiberg. Schenk wurde abgesetzt. Es waren nicht, wie Schellhas schreibt, "bald einsetzende kleinliche Intrigen Luthers", die am Weggang Schenks aus Freiberg schuld waren, Schenks Verhalten und theologische Einstellung gaben dafür den Grund. Wenn er sich in einer so wichtigen Stadt wie Freiberg - ging es doch um die Einführung der Reformation in ihr und vielleicht einmal im ganzen Herzogtum - so verhielt und sich in eineinhalb Jahren in mehrere Affären verwickelte, mußte rasch gehandelt werden. Schenk blieb im kirchlichen Dienst - und zwar zunächst als Hofprediger in Weimar, bis er sich auch dort unmöglich machte. Dann war er Professor in Leipzig, schließlich Hofprediger in Berlin, von wo er 1546 über die Grenze abgeschoben wurde und noch im gleichen Jahr starb.

      5.

      An seine Stelle sandte Luther nun Nikolaus Hausmann nach Freiberg - und zwar als Superintendent. Er war 1478/9 in Freiberg geboren. Sein Vater und sein Bruder waren Münzmeister, Ratsherren bzw. Bürgermeister. Bereits 1519 hatte er in Schneeberg begonnen, reformatorisch zu predigen. 1521 war er Stadtpfarrer und 1529 Superintendent in Zwickau geworden. Seine Berufung nach Zwickau hängt auch mit Thomas Müntzer zusammen, der 1521 ja Unruhen in Zwickau veranlaßt hatte. Da wollte man einen "gemäßigten und bedächtigen" Mann haben. Er sorgte dafür, daß Müntzer die Stadt verlassen mußte, doch hatte er selbst manche Schwierigkeiten mit dem Rat, der sich gern in kirchliche Belange einzumischen versuchte. 1532 wurde er auf Luthers Empfehlung hin nach Dessau berufen, um in Anhalt die Reformation einzuführen. Auf Grund seiner Erfahrungen ist Hausmann der eigentliche Urheber der Visitationen geworden. Er hat sie wegen der katastrophalen Zustände in den Gemeinden, bevor die Reformation eingeführt wurde, dringend empfohlen. Außerdem hat er Luther angeregt, die Katechismen zu verfassen. Mit diesen Anregungen hat er die Reformation entscheidend gefördert. Als Sechzigjähriger kam er nun nach Freiberg. Er schien der geeignete Mann zu sein, die Reformation in der Bergstadt in ruhige Bahnen zu lenken. Als er am 4. November 1538 "auff der hohen Cantzel im Thum" seine erste Predigt halten sollte, "stieß ihm ein jehlinger Schwindel und Ohnmacht mitten in der Predigt zu, als daß man ihn mit großer Mühe von der Cantzel tragen mußte, starb auch noch selbigen Tages" am erlittenen Schlaganfall und wurde im Dom begraben. Luther hat sehr um ihn getrauert. Hausmann war ihm wirklich ein lieber und enger Freund gewesen. An seine Stelle trat dann Caspar Zeuner.

      6.

      Luther und seine Freiberger Freunde. Es waren nicht alles wirklich seine Freunde, die wir eben kennengelernt haben. Befreundet war er zweifellos mit Hieronymus Weller und Nikolaus Hausmann. Mit Matthes Lotther und Jacob Schenk hatte er schwere Probleme. Das Herzogpaar, das nur kurz erwähnt wurde, wird man auch nicht als mit Luther befreundet bezeichnen können, obwohl sie die Reformation hier haben einführen lassen. Aber auch da gab es Schwierigkeiten. Mit den drei Geschwistern von Hieronymus Weller hat Luther schriftlich verkehrt. Ursula von Münsterberg, die drei Hoffräulein und die Purschensteiner hat er zu trösten und ihnen zu raten versucht. Im Fall des Freiberger Mönchskalbs hat er eine bissige Satire geschrieben.

      Es bleibt nachzutragen: Ein Portrait des Hieronymus Weller befindet sich im Dom auf der Südempore in Höhe des Lettners. Von Nikolaus Hausmann ist die beschädigte Grabplatte ebenfalls in der Westvorhalle beim Aufgang zur Orgelempore erhalten.

      Luther war nie in Freiberg, aber er hatte enge Beziehungen zu Freibergern. Und Freiberg als größte und reichste Stadt Sachsens (vielleicht war das aber inzwischen schon Leipzig) und als der Ort, von dem sich die Reformation einmal ins ganze Herzogtum würde ausweiten können, wie es ja dann nach Georgs des Bärtigen Tod geschah, war für Luther ein ganz wichtiger Ort. Persönliches und der Sache Geschuldetes fließen hier zusammen.

    3. [S29] Bernd Schreiter, Schreiter, Bernd, Weisbachiana : Hefte für Bergbau, Hüttenwesen und Genealogie, (Name: Freundeskreis Julius Weisbach; Date: 2006;).